MUND UND NASE

KEIN SCHMECKEN OHNE RIECHEN

Nase und Mund sind unsere am feinsten aufeinander abgestimmten Sinnesorgane. Der Riechkolben ist kulinarisch der wichtigste Verbündete unseres Gaumens. Hätten wir die Nase nicht, wäre genussreiches Schlemmen nicht möglich. Denn wer kennt das nicht? Man hat den Schnupfen und zack, schon schmeckt jedes Essen fad und langweilig. Das ist einzig und alleine der Tatsache geschuldet, dass der menschliche Geruchs- und der Geschmackssinn nahtlos miteinander verbunden sind. Obwohl Nase und Mund unabhängig voneinander lebenswichtige Funktionen wahrnehmen, ihre wahre Power spielen sie erst im Duett aus.

IMMER IM WIND – DIE NASE

Unsere Nase wirkt erst einmal wie ein hochkomplexer Filter. Beim Einatmen durch die Nase wird einströmende Luft nicht nur angewärmt und angefeuchtet, sie wird vor allem gereinigt. Feinste Flimmerhärchen im Naseninnenraum wirken wie ein erster, grober Filter. Gefährliche Partikel wie eingeatmeter Staub und Schmutz gelangen dadurch nicht in unsere inneren Organe, sondern bleiben in den Nasenlöchern und der Nasenmuschel hängen. Die Luftröhre ist bis in die Bronchien mit Schleimhaut ausgekleidet, die eine weitgehende Selbstreinigung der Atemluft sicherstellt. Ohne diese Reinigung der Atemluft kämen zu viele Fremdpartikel, Emissionen und Bakterien in den inneren Atemapparat.

Die Atmung durch die Nase wärmt, befeuchtet und filtert aber nicht nur die Luft, sie schützt den Körper vor zahlreichen anderen Gefahren. Verdorbene Speisen wie Milchprodukte, Eier, Fleisch, Fisch oder andere Nahrungsmittel erkennen wir meist sofort an ihrem unangenehmen bis üblen Geruch. Die Riechzellen in unserer Nase warnen uns zudem durch verdächtig wirkende und damit potenziell gefährliche Gerüche vor chemischen oder anderweitig schädlichen Stoffen. Akute Warnsignale – ein Urinstinkt des Menschen – sendet unser Geruchssinn auch bei Brand und Feuer aus.

 

30 MILLIONEN RIECHZELLEN
An der Naseninnenseite befindet sich die Riechschleimhaut. Dieses Wunderwerk der Natur ist mit 30 Millionen äusserst empfindlichen Riechzellen ausgestattet. Die Riechschleimhaut ist unser feinstes Sinnesorgan überhaupt. Dank ihr können wir über die Nase ungefähr 10000 verschiedene Gerüche auseinanderhalten.

Gelangt ein Geruch an die Riechzellen, leitet der Riechnerv diese Information an das Gehirn weiter. Dort wird die Botschaft gedeutet, transkribiert und eingeordnet, indem das Hirn die übermittelten Daten mit bereits zuvor eingestuften Gerüchen abgleicht. In der menschlichen Evolution ist diese Fähigkeit in erster Linie damit verbunden, dass dieses Einordnen den potenziell gefährlichen Verzehr von Verdorbenem und Ungeniessbarem verhindert. Gerüche sind also sehr eng mit früheren Erfahrungen verbunden, die wir im Laufe unseres Lebens angesammelt haben. Unser olfaktorisches Erinnerungsvermögen bewahrt uns einerseits vor Gefahren und führt uns aber sehr viel öfter zu angenehmen Situationen zurück, bestärkt diese für die Zukunft oder speichert neue Gerüche in einer stetig wachsenden Datenbank ab.

HÜGELLANDSCHAFT ZUNGE

Wo die Nase die Expertin für Gerüche ist, stellt die Zunge ihre Kompetenz mit dem Schmecken unter Beweis. Die Oberfläche der Zunge ist von unzähligen Papillen, Geschmacksknospen, bedeckt. Wer sich vor dem Badezimmerspiegel schon mal selbst die Zunge gezeigt hat, hat diese Geschmacksknospen mit grosser Wahrscheinlichkeit als winzige Hügel wahrgenommen. In unserer Kindheit verfügen wir über etwa 9000 Papillen. Im Laufe der Zeit büssen wir Teile davon ein und im späteren Erwachsenenalter haben wir nur noch etwa einen Drittel der ursprünglichen Geschmacksknospen übrig.

Papillen sind Sinneszellen: Sobald wir uns etwas Essbares in den Mund stecken, leiten sie innert Sekundenbruchteilen Informationen durch den Geschmacksnerv an unser Gehirn weiter. Die Sinneszellen sind auf unserer gesamten Zunge angesiedelt. In jedem Bereich der Zunge gibt es Sinneszellen für die fünf Geschmacksrichtungen sauer, süss, bitter, salzig und umami.

Umami ist eine relativ neue Entdeckung, denn erst 1908 machte der japanische Wissenschafter Kikunae Ikeda diese Geschmacksart aus. Er bezeichnete sie als «umami», was gleichbedeutend mit köstlich oder wohlschmeckend ist. Umami verstärkt keine der vier gängigen Geschmacksrichtungen, sie ist eine «Einzelgängerin». Die Wahrnehmung von umami erfolgt hauptsächlich im Rachenraum. Der Umamigeschmack wird insbesondere beim Verzehr eiweissreicher Nahrung empfunden, die einen «fleischigen», herzhaften und würzigen Geschmack hat. Der Mensch kann, ohne zu überlegen, jederzeit die fünf Grundrichtungen auseinanderhalten.

 

NASE UND MUND IM GLEICHTAKT
Während die Zunge fünf grundsätzliche Geschmacksrichtungen erkennt, verfügt die menschliche Nase über 350 Rezeptortypen, die es überhaupt erst ermöglichen, dass wir Tausende von Gerüchen auseinanderhalten können. Hunde oder Mäuse schlagen uns um Meilen, aber unsere diesbezüglichen Fähigkeiten reichen vollkommen für unseren Alltag, in welchem wir Geschmacks- und Geruchsreize nicht isoliert, sondern immer im Duett wahrnehmen. Es ist ein Duett, bei dem ohne Gefühle, Gedanken und vor allem Erinnerungen nichts harmonisch und logisch wirken würde. Nehmen wir vor Weihnachten den Rauch von Tannenreisig über einer brennenden Kerze wahr oder weht uns an einem Sommertag der Duft von Sonnencreme auf warmer Haut um die Nase, kickt sofort das Kopfkino ein. Unser Gehirn zeichnet in unseren Gedanken umgehend eine ganze Welt. Das gleiche gilt im Frühling, wenn wir zum ersten Mal den Gartengrill des Nachbarn riechen oder beim Nachhausekommen durch den angenehmen Geruch einer stundenlang auf dem Herd simmernden Pastasauce begrüsst werden: Innert Sekundenbruchteilen ordnet unser Hirn diese Gerüche ein und sagt uns «lecker».

Wer erkältet ist, riecht und schmeckt wenig; am frühen Morgen steigt kein erquickender Kaffeeduft in die verschnupfte Nase, die Lieblingsspeise schmeckt schal und fremd. Schmecken und Riechen sind direkt mit Zentren des Gehirns verbunden, die sich um Emotionen, Erinnerungen – und unseren Appetit drehen. Geruchs- und Geschmackssinn reichen evolutionsgeschichtlich sehr weit zurück und sie haben unser Überleben bis ins 21. Jahrhundert abgesichert. Ohne Nase würden wir nichts schmecken. Und ohne Nase könnten wir uns vor allem nicht an einem unwiderstehlich leckeren Gericht erfreuen und genussreich schmausen.